Neu-Isenburg (ots) –

Geschliffene Prosa im Fließbandtakt und Bilder aus der Retorte, die an Schönheit die Realität in den Schatten stellen: Künstliche Intelligenz gaukelt uns mit virtuellen Konstrukten eine scheinbar perfekte Welt vor. Dabei haben KI-gestützte Werkzeuge längst auch einen festen Platz in allen wirtschaftlichen Prozessen eingenommen und treiben den industriellen Wandel massiv voran. Das Ergebnis: Schlankere Prozesse und kürzere Entwicklungszeiten sorgen für mehr Effizienz, können zur Arbeitsentlastung beitragen und in der Reifenindustrie zur Ressourcenschonung beitragen.

Nahezu jedes Schulkind beherrscht mittlerweile Chat GPT, um dem Referat den letzten Schliff zu verleihen. Ebenso stellt sich bei beeindruckenden Bildwelten im Internet immer häufiger die Frage: Ist das echt? Doch Künstliche Intelligenz hat inzwischen weit mehr Bereiche erobert und ist selbst in handfeste industrielle Prozesse eingebunden. Sei es in der Logistik, dem Anlagenbau oder der Automobilindustrie – nahezu jede Branche verfügt bereits über konkrete Anwendungen, in denen KI eingesetzt wird.

Auch die Reifenindustrie setzt in Entwicklung und Erprobung immer häufiger auf leistungsstarke Großrechner, dort wo zuvor ausschließlich Fahrzeuge um enge Kurven zirkelten, um Grip und Fahrdynamik im Extrembereich zu testen. Anstatt mehrere Prototypen zu fertigen, die auf rauem Asphalt Langlebigkeit und sichere Fahreigenschaften an den Tag legen müssen, wägen intelligente Algorithmen in der Konzeptphase unter anderem das optimale Mischungsverhältnis der verschiedenen Rohstoffe ab. Der Premium-Reifenhersteller Hankook hat das Potenzial schon früh erkannt und gestaltet die Entwicklung der schwarzen Rundlinge nicht nur schneller und effizienter, sondern vermindert durch den stark reduzierten Einsatz von realen Prototypen sogar den Einfluss auf die Umwelt.

Virtuelle Simulation ergänzt den Testbetrieb auf der Straße

„Die Simulation wird in den nächsten Jahren das reale Testen ergänzen und deutlich zurückdrängen – auch wenn sie es nicht komplett eliminiert“, erläutert Klaus Krause, Vizepräsident und Leiter des Hankook Europe Technical Center in Hannover, und fährt fort: „Worum geht es beim Einsatz von Simulation und Künstlicher Intelligenz? Der Ausgangspunkt der Entwicklung ist nicht allein die Reifentechnik, sondern wir müssen uns als Teil des Gesamtfahrzeugs sehen. In der Automobilindustrie herrscht ein enormer Druck, die Zahl der Prototypen zu senken und auf virtuelle Methoden zu setzen. Von dort kommen auch ein großer Teil des Fahrzeugsimulations-Knowhows und der Daten. Und beides können zunehmend auch Zulieferer wie Reifenhersteller nutzen. Im Ergebnis beschleunigt KI virtuelle Testverfahren und liefert Ergebnisse in deutlich kürzerer Zeit.“

Weniger Testreifen durch virtuelle Simulationen

Durch den Einsatz von KI erzielt Hankook wichtige Synergieeffekte in der Reifenentwicklung: So sieht der aufwendige Prozess üblicherweise die Herstellung und das mehrmalige Testen physischer Prototypen vor. Doch in der Entwicklung neuer Materialmischungen setzt Hankook verstärkt auf die Unterstützung durch Künstliche Intelligenz. Bei dem hochkomplexen Verfahren kommen Rohstoffe mit unterschiedlichen Eigenschaften und in unterschiedlichen Anteilen zum Einsatz, die wiederum aufeinander abgestimmt werden müssen. Erst im perfekten Zusammenspiel aus Mischungsverhältnis und -reihenfolge, Temperatur sowie Druck entsteht das ideale Ergebnis. Dabei lässt sich mittels KI einschätzen, über welche physikalischen Eigenschaften die künftige Mischung verfügen wird. Die trainierten Algorithmen können sogar Empfehlungen für den optimalen Mix geben, was die Entwicklungszeit erheblich verkürzt. Denn der aufwendige Prozess der Herstellung und des mehrmaligen Testens physischer Prototypen entfällt nahezu vollständig.

Expertenwissen weiterhin zentral

Trotz zahlreicher Innovationen durch Künstliche Intelligenz bleibt aber das „humane“ Reifenfachwissen zentral: Die Einschätzung, ob das Ergebnis stimmt oder nicht, treffen in letzter Konsequenz immer die Experten. Und die haben auch großen Einfluss auf die Qualität und die Menge der Daten, mit denen die KI zuvor „gefüttert“ wurde.

Dennoch lässt sich bereits jetzt mit dem Einsatz von Simulation und KI viel schneller erkennen, ob eine Entwicklungsrichtung zielführend ist. Ist sie es nicht, lässt sich frühzeitig nachjustieren, um unnötigen Entwicklungsaufwand zu vermeiden. Durch die rasante Weiterentwicklung der KI dürften sich der Automobilbranche und damit auch der Reifenindustrie in Zukunft weitere große Potenziale erschließen. Als unverzichtbare Assistenz in der Reifenentwicklung wird KI in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen – auch wenn die schnelle Runde auf der Teststrecke weiterhin fester Bestandteil im Prüfprotokoll bleiben dürfte.

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Quelle: ots